Als ich letztes Jahr für meinen Artikel „Die RYAN-Krise – Als der Kalte Krieg beinahe heiß geworden wäre“ recherchierte, erwähnte ich dort die Leistung von Stanislaw Petrow, der möglicherweise eine Atomkrieg verhindert hat. Da wirklich alle Berichte übereinstimmend die Behauptung enthielten, Petrow sei aus der Roten Armee ausgeschlossen worden, verließ ich mich hierauf. Ebenfalls war häufig in seriösen Medien zu lesen, Petrow lebe in Armut, sei ein gebrochener Mann, Alkoholiker usw.
Im Mai diesen Jahres brachte uns die avantgardistische Theatergruppe Rimini Protokoll zusammen, wo wir gemeinsam in dem politischen Theaterstück „Der Zauberlehrling“ die Geschichte des Semtembers 1983 erzählten und Gelegenheit bekamen, die Presseenten zu korrigieren:
Petrow hat die Armee aus rein familiären Gründen verlassen, nachdem er zwischenzeitlich sogar befördert und mit Orden ausgezeichnet worden war. Lediglich eine frühere Beförderung wegen seiner Leistung von 1983 war ihm verwehrt worden, da hierdurch andere Offiziere ihr Gesicht verloren hätten. Auch, wenn es unser westliches Klischee vom „russischen Mann“ bedient, ist Petrow definitiv kein Alkoholiker. Während ich selbst die stressigen Tage stets durch ein Feierabend-Bierchen ausklingen ließ, blieb Petrow meistens abstinent, lediglich bei der Premiere im Schauspielhaus Düsseldorf sowie beim letzten Abend im Berliner Hebbeltheater konnten wir anstoßen. Er ist allerdings Kettenraucher … Und auch die Bewertung, Petrow lebe „verarmt“ mit seinem Sohn in einer Plattenbauwohnung, ist eine typisch westliche Interpretation. In Russland ist es völlig normal, dass Familien in mehreren Generationen in einer Wohnung zusammenleben und Militärs eine schmale Rente bekommen. Niemand würde das in Russland als Schande oder ähnlich auffassen. Petrow ist auch in keiner Weise „gebrochen“, sondern ein sehr humorvoller, herzlicher Typ.
Die Geschichte kann man nun in meinem Artikel “Stanislaw Petrow und das Geheimnis des roten Knopfs” nachlesen. Wer Petrow persönlich (und außerdem einen ungewöhnlichen Theaterabend) erleben möchte, hat hierzu vom 16. bis 18.10. in Düsseldorf nochmals Gelegenheit, wo das Stück wieder in den Spielplan aufgenommen wurde. Hier eine lesenswerte Theaterkritik der TAZ.