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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


23. Januar 2009

Rechtsstreit um RAF-Film – verflogener Gerichtsstand

Die Witwe des ermordeten Bankiers Jürgen Ponto wehrte sich gegen die Darstellung des Mordes im aktuellen Film zur RAF von Uli Edel. Der Streifen beanspruche Authentizität, obwohl die Anwesenheit der Ehefrau unterschlagen worden sei. Bekanntlich wies die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln das Ansinnen ab. Wie im Contergan-Fall wurde hier der Kunstfreiheit ein Spielraum zugebilligt. Die Tochter will das Anliegen weiterverfolgen.

Zu der Rechtsmeinung der Kölner kann man stehen, wie man will. Aber warum hat man den Fall am Landgericht Köln anhängig gemacht?

Die Entscheidung für dieses Gericht wurde von einem Großmeister des fliegenden Gerichtsstands getragen. Der Kollege hatte letztes Jahr erstmals ausgetestet, wie kooperativ die Kölner Pressekammer sein würde. Die Kölner bedienten den Anwalt einem von mir beobachteten Verfahren in einer Weise, die ihm keine Wünsche mehr offen ließ. Und es sah ganz so aus, als könne der Promi-Anwalt mit seiner bekannten Mandantschaft der Kölner Pressekammer zu durchaus benötigtem Glamour verhelfen und beim Import von Verfahren der Schönen und Reichen an den Rhein mitwirken.

Doch das Landgericht Köln zeigte sich undankbar und ließ den Anwalt diesmal auflaufen. In einem Interview versuchte der Kollege, die Niederlage in einen PR-Erfolg umzudeuten. Man habe eine Diskusion angestoßen. Nun ja, wenn man PR will, dann zieht man nicht vor den Kölner Kadi, sondern man wählt sich als Bühne die Gerichte der Hauptstadt. Und das hätte buchstäblich näher gelegen, liegt doch der Kanzleisitz des Gerichtsstandsvielfliegers mitten in Berlin.

21. Januar 2009

OLG Hamburg steuert auf Realität zu

Wie Heise heute meldet, zeichnet sich bzgl. des Abmahnunwesens in Internet-Foren ein Trend in Richtung Vernunft ab. So soll es bei Urheberrechtsverstößen durch Dritte in Internet-Foren (user generated content) erst auf die konkrete Kenntnis des Forenbetreibers ankommen. Mit einer Vorab-Prüfungspflicht, wie man sie am Landgericht Hamburg für realistisch hält, will man sich am hanseatischen Oberlandesgericht nicht so recht anfreunden.

Diese Erkenntnis kommt reichlich spät und dürfte weitaus eher der Auffassung „des Volkes“ entsprechen, in dessen Namen man in Hamburg Fälle entscheided.

Ausführlich zum Thema äußert sich der Kollege Sascha Kremer, der heute den Verhandlungen in Hamburg beiwohnte.

Sofern diese sich abzeichnende Rechtsprechung auch auf das Äußerungsrecht übertragen wird, werde ich bald riskieren, hier Blog-Beiträge zuzulassen.

Das obige Foto habe ich mal sicherheitshalber bei Wikipedia unter GNU-Lizenz eingelinkt. Falls jemand Wikipedia ein Ei gelegt hat, wäre Wiki fein raus und dann wäre ab deren Kenntnisnahme bei mir auch automatisch das Bild weg.

Und jetzt wird es Zeit zum Abendessen. Nicht hierzu empfehle ich Marions Kochbuch! ;-)

Bild: Wolfgang Meinhart/Wikimedia

9. Januar 2009

TAZ über fliegenden Gerichtsstand

Erst jetzt wurde mir der Kommentar des TAZ-Justitiars Peter Scheibe bekannt, der ebenfalls das Grundrecht Pressefreiheit in der Krise sieht:

Hoffnung geben immerhin Überlegungen, den „fliegenden Gerichtsstand“ bei Unterlassungsansprüchen abzuschaffen: Möchte ein Betroffener eine falsche Berichterstattung unterbinden, so kann er sich heute an jedes beliebige Zivilgericht im Verbreitungsgebiet wenden. Da selbst Regionalzeitungen die Inhalte ihrer Druckausgaben gleichzeitig ins Internet stellen, ist nämlich kaum noch ein Fall denkbar, bei dem der Betroffene diesen Anspruch nicht bei jedem beliebigen Gericht in der Bundesrepublik geltend machen kann. Die damit ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigte Wirkung, dass es sich bei dem Betroffenen meist um eine Privatperson handelt, der man lange Wege ersparen möchte, kann heute schon wegen der deutlich bequemeren und schnelleren Kommunikation nicht mehr gelten. Zudem haben Presserechtler im Laufe der vergangenen Jahre mit Hilfe einiger Landgerichte eine betroffenenfreundliche Rechtsprechung entwickelt und können sich daher das Gericht aussuchen, bei dem die Chancen für einen Prozesssieg recht hoch sind. Kurz: Im Presserecht bekommt selten die Presse Recht.

Wie jedoch der häufige TAZ-Anwalt zu der Frage steht, nämlich der Kollege Jony Eisenberg, ist mir unbekannt. Der ist bekanntlich ja auch nicht schüchtern, wenn seine Mandanten der Presse etwas verbieten lassen möchten. Manchmal klagt er in eigener Sache: Letztes Jahr etwa versuchte er erfolglos, einer Zeitung den Abdruck eines Fotos zu verbieten, welches ihn bei der Begleitung eines Mandanten abbildete. Die besondere Ironie dieses Rechtsstreits war die, dass sich auf der Gegenseite für die Pressefreiheit der Boulevardzeitung ein Rechtsanwalt einsetzte, der sich ansonsten in den Medien als Kämpfer gegen eine große deutsche Boulevardzeitung inszeniert – und den fliegenden Gerichtsstand nach allen Regeln der Kunst instrumentalisiert.

7. Januar 2009

Fliegender Gerichtsstand – bald ausgeflogen?

Heute hätte ich einen Termin am Landgericht X wahrrnehmen müssen, 150 km Anreise. Mein Mandant hätte 700 km zurückzulegen gehabt, der Kläger 200 km, und auch dessen Anwalt wohnt nicht etwa in X, sondern hat sich den Gerichtsort wohl aus taktischen Gründen ohne erkennbaren Bezug zur Sache gewählt. Der fliegende Gerichtsstand macht’s möglich.

(Hätten sich die Parteien gestern nicht außergerichtlich geeinigt, so wäre der Verkehr heute bei den sibirischen Temperaturen um vier Verkehrsteilnehmer mehr belastet gewesen … ;-) )

Angesichts der in diesem Blog schon geführten Diskussion über die kontraproduktiven Resultate des von der Rechtspraxis entwickelten „fliegenden Gerichtsstandes“ äußert sich in der Frankfurter Rundschau auch der Kollege Rechtsanwalt Jan Hegemann darüber, warum Prominente so gerne in Hamburg klagen:

(…) Die Hamburger Gerichte, sowohl das Land- als auch das Oberlandesgericht, haben eine eigenwillige und für die Betroffenen sehr günstige Auffassung zum Beweiswert von Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit – mit der Folge, dass alle möglichen Leute, denen Stasi-Vorwürfe gemacht werden, egal, ob diese nun in Leipzig, Dresden oder Berlin publiziert werden, mit ihren Unterlassungsansprüchen nach Hamburg gehen. Darüber hinaus ist die Pressekammer Hamburg beliebt bei Verfahren gegen People- und Yellow-Zeitschriften, weil sie sehr engagiert ist, was die Geldentschädigungen angeht. Die sind nach Ansicht vieler Beobachter höher, als sie es zum Beispiel in Berlin und München wären. (…)

Auch den von mir vehement vertretenen Standpunkt, dass es ja auch im verwandten Gegendarstellungsrecht nach dem Sitz des Verbreiters geht, greift Hegemann auf. Zu Recht weist er darauf hin, dass die Länder die Möglichkeit zur Bildung von „Schwerpunktgerichten“ haben, so dass regional in Pressesachen kompetente Gerichte geboten werden könnten. Forum-Shopping und Kostendruck durch weite Anfahrtswege – sowie das unsägliche parallele Anhängigmachen identischer Anträge auf Unterlassungsverfügungen – wären dann obsolet.

Würde man solche in Pressesachen kompetenten Kammern bilden, so bleibt natürlich das Risiko, dass man im Revier eines dennoch im Medienrecht inkompetenten Gerichts wohnt. Im Revier der Medienstadt X würde ich dann nicht gerade wohnen wollen … ;-)

6. Januar 2009

Handelsvertreter-Blog

Bis jetzt ist es noch immer nicht äußerungsrechtlich in Erscheinung getreten: unser Handelsvertreter-Blog! In gerade einmal einem halben Jahr haben sich zum Thema Finanzstrukturvertriebe 50 Beiträge praktisch von selber während der Kaffeepause geschrieben.

Meine Hoffnung, irgendeiner der betroffenen Unternehmen sei so bescheuert, uns Gratis-PR durch kontroverse Prozesse frei Haus zu schicken, ging leider noch nicht auf. Ob sich der Streisand-Effekt langsam herumgesprochen hat, dem zufolge das Internet allergisch gegen Zensur-Versuche reagiert und entsprechende Informationen erst recht mit Aufmerksamkeit bedenkt?

Bei einer inzwischen nun dreistelligen Anzahl der täglichen Leser werden wir unseren Informationspool über die Realität in der Welt der Finanzvertriebe künftig noch häufiger aktualisieren. Ein großer deutscher Vermögensberater mit Sitz in Frankfurt liefert beinahe jede Woche einen Fall, bei dem man sich fragt, wie so etwas in Deutschland, einem Land, bei dem die Arbeitswelt traditionell einen hohen Stellenwert genießt, eigentlich passieren kann. Einen Einblick in dieses seltsame Welt der angeblichen Finanz-„Beratung“ bietet die gerade von der Bundesregierung veröffentlichte Studie, in der auch meine Freunde von MLP mit ein paar freundlichen Worten bedacht wurden. In dieser Studie wird übrigens auch die legendäre Website „AWD-Aussteiger.de“ zitiert, deren Verbotsversuche ein wunderbares Beispiel für den Streisand-Effekt darstellen.

Anstatt der Studie hätte das Bundesministerium auch einfach einen Blick auf unser Informationsangebot finanzparasiten.de werfen können. Nicht ganz so wissenschaftlich geschrieben, aber fast genauso erhellend. Zugegeben: das 0,62 aller Deutschen seinen Mitmenschen als Finanzberater zur Last fällt, hätten wir auch nicht gewußt …