Nach langer Ankündigung erschien nun Anfang Oktober im renommierten Beck-Verlag das als neues Standardwerk angepriesene „Handbuch des Persönlichkeitsrechts“. Das „erste Werk“ zu Fragen des Persönlichkeitsrechts in einer umfassenden systematischen Darstellung soll es sein. Hört, hört!
Da für die angesprochene Zielgruppe das Persönlichkeitsrecht nahezu identisch mit dem Medienprivatrecht sein dürfte, ist dieses Alleinstellungsmerkmal ein wenig hoch gegriffen. Zwar anders betitelt und praxisrelevanter aufgebaut deckte der (in die Jahre gekommene) Wenzel: „Das Recht der Wort- und Bildberichtserstattung“ im Wesentlichen dieselbe Thematik ab.
So handverlesen auch das Autorenkollektiv sein mag, so inkonsistent ist das fertige Werk geworden. Sucht man etwa nach Informationen zum Verhältnis von Persönlichkeitsrecht zur Wissenschaftsfreiheit, so scheint dieses Thema glatt übersehen worden zu sein. Da gegenwärtig Mörder ihre Namen in wissenschaftlichen Werken schwärzen wollen, dieses sogar in Archiven, ist die Frage durchaus praxisrelevant, denn anders als die in Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Pressefreiheit unterliegt die in Abs. 3 erfasste Wissenschaftsfreiheit nicht ohne weiteres den Schrankenbestimmungen des Abs. 2. Zur dort ebenfalls angesiedelten Kunstfreiheit gibt es jedoch breite Ausführungen.
Ebenso ratlos lässt das Handbuch den Leser zurück, wenn sich dieser über den Ehrenschutz von Unternehmen aus Persönlichkeitsrecht informieren will: Für den Ehrenschutz von juristische Personen des öffentlichen Rechts gibt es ein Kapitel, zu dem von juristischen Personen – dem sogenannten „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ – sucht man vergeblich nach eindeutigen Aussagen.
Das bei weitem größte Manko jedoch ist die irreführende Darstellung der Rechtsprechung. So orientiert man sich – wie in der Rechtswissenschaft üblich – an den Urteilen von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, die im Prinzip auch für die unteren Gerichte maßgeblich wären. Die Praxis jedoch etwa der Pressekammer Hamburg sieht anders aus: Dort schert man sich nicht um die Sichtweise in Karlsruhe, wo man so seltsamen Ideen wie einer „Vermutung für die Äußerungsfreiheit“ anhängt. Wer sein Recht durchsetzen will, der muss erst am Hamburger Rechtsweg vorbei, was einen langen Atem sowie Zeit und Geld beansprucht. Doch dieses Insiderwissen wollen die Praktiker, die an diesem Werk mitgeschrieben haben, offenbar nicht preisgeben. Dabei spricht sich selbst in der Tagespresse langsam herum, dass die Verbote oder aberwitzigen Geldansprüche für angebliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die man in Hamburg regelmäßig zuspricht, in Karlsruhe wieder aufgehoben werden. Wer tagesaktuell berichten will, dem nutzt der Rechtsweg nach Karlsruhe wenig. Praxisrelevant ist daher allein das ungeschriebene „Hamburger Landrecht“.
Manche Auskünfte des Werkes sind schlichtweg falsch. So wird ohne weiteres behauptet, ein Domainunterlassungsanspruch beinhalte auch die Verpflichtung, die Domain beim Provider abzumelden. Das gegenteilige (in der Fachpresse veröffentlichte) Urteil des OLG Hamburg hatte ich letztes Jahr selbst herbeigeführt: eine „Baustellenseite“ ist ausreichend. Wenn der Kläger mehr als schlichtes Unterlassen will, dann soll er das gefälligst auch ausdrücklich beantragen und tenorieren lassen, damit der Gegner weiß, was von ihm verlangt wird.
Von einem „Handbuch“ könnte man eine praxisrelevante Auflistung der mehrfach angesprochenen „Grundsätze der Verdachtsberichterstattung“ erwarten, doch ist der Leser hinterher genauso schlau als wie zuvor. Auch die Stolpe-Entscheidung, jene „Allzweckwaffe“ der Presserechtssprechung der Gegenwart, wird nur am Rande dargestellt.
Fazit:
Für ein Werk zum Preise von 158,- Euro, das ein Handbuch sein will, bietet Götting/Schertz/Seitz leider keinen echten Gegenwert. Im Gegenteil ist die Darstellung des Presserechts für den Praktiker unbrauchbar, da in Hamburg nicht durchsetzbar. Das Handbuch des Persönlichkeitsrechts ist für den Rechtslaien sogar eine gefährliche Einrichtung. Abzuraten.