29. September 2008

Zwar mache ich mir manchmal hier im Blog etwas Luft, aber grundsätzlich bin ich kein Freund von Prozessführung über die Medien. Die Pressekammer des Landgerichts Köln allerdings scheint irgendwie über allem zu schweben. Nicht einmal materielles Recht und Prozessrecht usw. spielen dort eine Rolle. Notfalls wird sogar der unstreitige Sachverhalt einfach „passend gemacht“. Alles schon mehrfach dort erlebt.
Nun hat aber die Fachpresse ein absurdes Urteil aufgegriffen und dabei unkommentiert ein Phantom verbreitet, dass ich so jedoch nicht stehen lassen kann. Weiter in meinem Beitrag Das Landgericht Köln und das Geheimnis der E-Mails auf Telepolis.
BILD: S1/Wikimedia Commons
18. September 2008

Mein ehrenwerter Anwaltskollege Freiherr von Gravenreuth wurde gestern in einem menschenunwürdigen Schauprozess zu Unrecht zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Pech hatte er mit seinem Entlastungszeugen, der angeblich deshalb nicht erschien, weil sein Wecker defekt gewesen sei. Der Zeuge hätte Aufschluss darüber liefern sollen, was für ein Chaot der Kollege sei – eine Bewertung, von der ich mich natürlich distanziere, um nicht das wertvolle Persönlichkeitsrecht des geschätzten Kollegen zu strapazieren.
Aber hätte der nun nicht mehr ganz so freie Herr sich tatsächlich zum Chaot stilisieren wollen, so hätte er gut daran getan, mich in den Zeugenstand zu berufen: So hatte von Gravenreuth dieses Jahr einen von mir für einen Mandanten gegen ihn erstrittenen Zahlungstitel nicht so schnell beglichen, wie man es sich gewünscht hätte. (Der Mandant war zu Unrecht mit einer einstweiligen Verfügung behelligt worden.)
Doch ganz so chaotisch war er dann doch nicht, denn auf die Erinnerung hin quilte noch am selben Tag ein Fax mit der freundlichen Bitte um Entschuldigung für das Versehen. Tatsächlich beglich der gute Kollege seine Schuld umgehend.
Ich kann nichts schlechtes über meinen Standeskollegen sagen!
16. September 2008

Wie bereits hier berichtet hatte der für seine Empfindlichkeit bekannte Finanzvertrieb MLP AG nach seinem umstrittenen Sieg gegen das einstige MLPblog.de nun auch das streitbare MLPwatchblog.com ins Visier genommen. So wurde entsprechend den Anforderungen der World Intellectual Property Organisation (WIPO) vorgebracht, die Domain könne von Dritten irrtümlich als von der Firma stammend aufgefasst werden (1), die MLPwatchblogger hätten keine Rechte, ihren Namen als Domain zu benutzen (2) und die Domain sei in schlechter Gesinnung registriert worden (3).
Die streitbaren Watchblogger nahmen die Herausforderung an.
In der nun von der WIPO veröffentlichten Entscheidung wies diese die Beschwerde zurück.
Zwar könne man durchaus vom Domainnamen her den Eindruck gewinnen, es mit einer Website der Beschwerdeführerin zu tun zu haben (1). Ziemlich albern wirkte die Argumentation, MLP beobachte die Märkte und deshalb könnte man sie für „watcher“ halten – wo sich doch langsam herumgesprochen haben sollte, dass man bei MLP in erster Linie wohl die Provisionen beobachtet, welche für „Empfehlungen“ eingestrichen wird.
Die Beschwerdeführerin drang jedoch nicht mit ihrer Behauptung durch, den deutschen oder sonstigen Nutzern des englischsprachigen Blogs sei der Begriff „watchblog“ nicht geläufig. Die MLPwatchblogger hätten durchaus das Recht, sich so zu nennen (2).
Damit erübrigte sich die Frage nach einer schlechten Gesinnung bei der Registrierung der Domain (3). Auch die hätte die WIPO abgelehnt.
Entsprechend dem Verfahren wurde die Domain des Watchblogs auf der Website der WIPO veröffentlicht, was der Domain bei Google offenbar zu einem besseren Standing verhalf: Obwohl es sich um eine ausländische und englischsprachige Website handelt, wird sie inzwischen bei Google in der Top Ten gelistet. MLP hat also das genaue Gegenteil von dem erreicht, was man wollte. Und es wurde wieder ein Stück mehr an Rechtssicherheit gewonnen.
Auch in Deutschland nehmen die juristischen Auseinandersetzungen mit der so auf Diskretion bedachten Firma kein Ende: Die Verbraucherschützer und Strukturvertriebskritiker Finanzparasiten.de haben bezüglich einer 2006 ergangenen einstweiligen Verfügung MLP gerichtlich zur Klageerhebung in der Hauptsache aufgefordert. Das bedeutet, dass sich MLP in einem ordentlichen – und öffentlichen! – Gerichtsverfahren der Frage zu stellen hat, ob man die Firma mit gewissen Begriffen bezeichnen darf, oder nicht. Vorausgesetzt, Grundgesetz und Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht haben Gültigkeit, dürfte das für MLP ähnlich peinlich werden. Wenn nicht in Hamburg, dann spätestens in Karlsruhe – vor der Haustüre des badischen Finanzvertriebs.
Schlagwörter:
WIPO
3. September 2008

In der Pressekammer am Landgericht Köln scheint es zum guten Ton zu gehören, mit zweierlei Mass zu messen.
Kölscher Klüngel
Ich erinnere mich noch gut an eine von mir vor zwei Jahren betreute Klage gegen einen großen Kölner Privatsender wegen einer eindeutigen Persönlichkeitsrechtsverletzung, bei der sich alle wunderten, warum es der Sender überhaupt auf eine Klage ankommen ließ und die Sache nicht lieber geräuschlos beenden wollte. Das spätere Berufungsgericht Oberlandesgericht Köln etwa ließ nicht den geringsten Zweifel an der Berechtigung unserer Klage aufkommen. Als wir die gleiche Sache gegen die Online-Tochter des Senders geltend machten, aber diesmal taktisch geschickter am Landgericht Hamburg, verlor der Gegner keine Zeit, sich außergerichtlich zu vergleichen.
Was aber war am Landgericht Köln passiert? In den Schriftsätzen schien der Kölner Sender keine Notwendigkeit zu sehen, inhaltlich auf die Klageschrift näher einzugehen. Zu recht, denn in der Verhandlung drängte uns der Vorsitzende Richter nach allen Regeln der Kunst, die „aussichtslose“ Klage zurück zu nehmen. Im Urteil schließlich verdrehte der Richter den Sachverhalt, erfand fiktive Erfahrungssätze und legte geschriebenes Recht so eigenartig aus, dass nicht einmal sein Elaborat so recht zum von Anfang an feststehenden Urteil passen mochte.
Damals war ich der Meinung gewesen, die Möglichkeit auf Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit hätte nur theoretische Bedeutung zur Selbstdisziplinierung der Richter bzw. entsprechende Anträge seien grundsätzlich fruchtlos. Heute ärgere ich mich noch immer, warum ich mir seinerzeit von der damaligen Kammer diese Schmierenkomödie habe bieten lassen.
Robben
Kürzlich gab es einen Termin bei der Kölner Pressekammer, bei der ich den Anwalt des Beklagten unterstützen sollte. Vor Beginn des Termins bat ich in Begleitung des gerichtsbekannten Mandanten die Justizfachangestellte um Akteneinsicht. Diese kannte mich als Anwalt aus früheren Verfahren, war sich aber unsicher, ob sie mir die Akte geben dürfe. Ich wies darauf hin, dass ich Anwalt sei und argumentierte schmunzelnd mit meiner mitgeführten Robe. In ihrem späteren Vermerk in der Akte wurde das Textil als „Robbe“ bezeichnet, was dem Kölner Dialekt geschuldet sein dürfte. Als die Vorsitzende Richterin davon erfuhr, machte sie einen Aufstand und drohte, uns die Akte wegzunehmen, da ich nicht der in der Akte bestellte Anwalt sei. Erst, als wir ad hoc eine handschriftliche Vollmacht auf auf ein Stück Papier kritzelten, durften wir die Akte behalten.
Die Anwälte der Gegenseite mussten keinerlei Vollmachten vorlegen. Einer, der eigentlich nur als Zeuge geladen gewesen war, durfte sogar spontan als Anwalt auftreten. Hierzu brauchte der Kollege weder Vollmacht, noch Robe, noch Robbe …
Vor Gericht sind alle gleich. Manche sind gleicher.
Bildnachweis: Baldhur/Wikimedia, GNU-License