23. Juli 2008

Der umstrittene Finanzvertrieb MLP AG aus Wiesloch reagiert sehr empfindlich auf Kritik. Statt solcher mit Argumenten zu begegnen lässt man lieber eifrige Anwälte von der Kette. PR-mäßig gehen die Schüsse jedesmal nach hinten los!
Behinderung der Rechtspflege
So versuchte man jüngst, einer missliebigen Rechtsanwältin durch eine fragwürdig erzielte einstweilige Verfügung zu untersagen, in ihren Schriftsätzen Vergleiche zwischen der Struktur der MLP AG zu der von sogenannten Sekten anzustellen (wie es u.a. die Presse seit Jahren tut). Das Landgericht Wiesbaden setzte dem aberwitzigen Spuk mit diesem Urteil nun ein Ende. Offenbar wird die Anwältin als starke Bedrohung empfunden, denn MLP hält die Kollegin mit weiteren äußerungsrechtlichen Verfahren so wie einer Flut von absurden Abmahnungen von der Arbeit ab.
Print
Die Strategie, sachliche Auseinandersetzung durch äußerungsrechtlichen Druck zu bekämpfen, ist für die MLP AG alles andere als neu: So ging MLP 2002 im Zusammenhang mit dem gleichnamigen Skandal mit fragwürdigen Methoden juristisch gegen kritische Berichterstattung von Focus, Börse Online und Prior Börse vor.
Internetforen
Das Diskussionsforum Wallstreet-Online wurde von MLP mit zahlreichen Löschungs- und Sperrungsaufforderungen eingeschüchtert, einzelne Diskussionsteilnehmer vor den Kadi gebeten. Den angeblich freien(!) Handelsvertretern wurde die Beteiligung in Newsgroups vom damaligen MLP-Chef untersagt.
TV
Auch der WDR wurde wegen kritischer Berichterstattung hart angegangen. Nach der Peitsche versuchte man es dann mit Zuckerbrot, indem man ein Jahr die Harald Schmidt-Show (WDR) sponserte, was das ramponierte Image wohl auch nicht retten konnte.
Wikipedia
Beim Wikipedia-Eintrag fiel MLP wiederholt durch nachhaltige PR-Manipulationen auf. Nachdem zunächst die Selbstreinigungskräfte der Online-Enzyklopädie zu wünschen übrig gelassen hatten, musste MLP fassungslos mit ansehen, wie die Schwarmintelligenz der Internetgemeinde sich der PR zu erwehren wusste.
Verbraucherschutz-Website
Hartnäckigster Gegner von MLP ist die von mir betreute Website Finanzparasiten.de, der per einstweiliger Verfügung Vergleiche mit der Unterwelt vom Landgericht Hamburg verboten wurden. Das Hauptsacheverfahren ist derzeit anhängig.
Watchblogs
Das Projekt „MLPblog.de“ wurde nach der streitbaren Hamburger Unternehmensblog-Entscheidung, die von Fachleuten übereinstimmend für falsch gehalten wird, nach weiteren Abmahnungen aus Kostengründen vorläufig aufgegeben. Der unsportliche Versuch von MLP, nicht einschlägiges Ordnungsrecht zu missbrauchen, konnte in zweiter Instanz abgewehrt werden.
Nach Aufgabe des MLP-Blogs fanden sich jedoch anonyme Blogger in den USA, die ein Zeichen gegen die erodierende Meinungsfreiheit in Deutschland setzen wollen und seither das www.mlpwatchblog.com betreiben, welches sich dem Luxus deutschen Presserechts weitgehend entzieht. Von den Inhalten dieses bisweilen recht krawalligen und typisch amerikanischen Blogs distanziere ich mich hiermit vorsichtshalber.
WIPO-Domainstreit
Nun meldet die World Intellectual Property Organisation (WIPO), dass die MLP AG nach einem Jahr Duldung auch gegen das MLPwatchblog ein Domainverfahren eingeleitet hat. Angeblich seien Deutsche zu doof, den Begriff „watchblog“ zu deuten und könnten vermuten, sie seien auf einer Firmenhomepage von MLP. Selbst die deutsche Rechtsprechung geht nicht so weit. Die MLPblog-Entscheidung wäre mit dem Zusatz höchstwahrscheinlich obsolet. Noch weiter geht das LG Köln, dass eine Verwechslungsgefahr ausschließt, wenn man bei Betrachten der Website sofort erkennt, dass man nicht auf einer Firmenwebsite gelandet ist. Ausweislich der Präzedenzfälle, die WIPO vorhält, dürfen die MLPwatchblogger dem Schiedsverfahren der WIPO ganz gelassen entgegensehen. Folgt man einer Prognose des Watchblogs, wird sich die Problematik wohl dadurch erledigen, als dass die Firma Ende des Jahres von einem Mitbewerber übernommen und unter neuer Marke weitergeführt werden wird. Das Ansehen der Marke „MLP“ dürfte sich angesichts der dubiosen PR in überschaubaren Grenzen halten.
PR-Super-GAU
Der Fall MLP ist ein Musterbeispiel für kontraproduktives Prozessieren in PR-Angelegenheiten. „Finanzparasiten.de“ war vor dem ersten Prozess mit MLP absolut unbekannt. Die juristischen Attacken bescherten der Website eine unbezahlbare Publicity, was schließlich sogar dazu führte, dass bei einer Google-Suche nach „MLP“ die Website der Kritiker zeitweise sogar den Firmeneintrag verdrängte und nun gleichauf mit dem ebenso wenig schmeichelhaften Wikipedia-Eintrag zur MLP AG liegt. Das MLPblog wurde sogar von SPIEGEL-online thematisiert. Die nicht wenigen Gegner wurden zusammengeschweißt und nutzen Synergieeffekte.
MLP wäre gut beraten gewesen, anstatt in sinnlose Prozesse besser in Kommunikation zu investieren. Oder noch einfacher: in Qualität.
18. Juli 2008

Wenn ein als Zeuge geladener Promi-Presseanwalt behauptet, er wisse nicht, was eine Computer-Mouse ist, dann kann das doch eigentlich nur ein schlechter Scherz sein, oder?
Was sich letzten Mittwoch vor der Pressekammer des Landgerichts Köln zugetragen hat, ist mit dem Begriff „Farce“ noch recht großzügig beschrieben. Mein Mandant, ein bekannter Blogger zum Presserecht, hatte auf seiner Website die Begriffe „Mimosen“, „Schweinchen“, „Psychopathen“ und ähnliches mit den entsprechenden Google-Suchen verlinkt. Plötzlich behaupten Anwälte einer bekannten Presserechtskanzlei, dass beim Klick auf diese Links Google-Suchen nach ihren Namen erscheinen, mahnen ab und erwirken eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Köln.
Schwache Beweislage
Erstaunlicherweise haben die Kollegen außer leicht fälschbaren Ausdrucken keine handfesten Beweise für ihre seltsame Anschuldigung zu bieten. Wenn bei mir ein Mandant wegen kurzfristiger und typischerweise flüchtiger Internetinhalte anruft, fordere ich ihn als erstes auf, möglichst unbeteiligte Personen zu bitten, sich entsprechende Links einmal anzusehen, diese selbst auszudrucken und ihre Eindrücke detailliert zu notieren. In wirtschaftlich bedeutsamen Fällen lässt man sogar notariell beglaubigen, was da unter welchem Link im Internet erscheint.
Stattdessen benennen die Kläger einen ihrer Kollegen als Zeugen – sowie den prominenten Kanzleichef selbst, den Spiritus Rector der Klage, der nach eigenem Bekunden aus Fürsorgepflicht für seine Angestellten handele. Die beiden Anwälte vertreten die Sache selbst und hatten es sich vergangenen Mittwoch nichts nicht nehmen lassen, extra aus Berlin zum (von ihnen selbst ohne jeden Sachbezug gewählten) Gerichtsstand Köln anzureisen – als Zeugen wie als Anwälte.
Siegfried & Roy
Nun dürfte es für Laien schon erstaunlich genug sein, dass man in (indirekt) eigener Sache gleichzeitig als Partei, Zeuge und Anwalt auftreten kann. So mussten die Zeugen, die gleichzeitig auch Anwälte waren, nicht bei der Zeugenbefragung des jeweils anderen Zeugen den Saal verlassen.
Pikanterweise hatte Anwalt A seine Robe nicht dabei. (Der Alte Fritz hatte gefordert, die „Advokaten sollen Roben tragen, damit die Spitzbuben bereits von der Ferne erkannt werden“ – ein Zitat, von dem ich mich schon aus standesrechtlichen Gründen distanziere.) So kam Kollege A mit der Vorsitzenden Richterin überein, dass man sich die Robe des Kollegen teilen dürfe: Wenn der eine als Zeuge auftrat, durfte der andere Anwalt spielen, und wenn es umgekehrt laufen sollte, tauschten die Anwälte A & B die Robe aus und verwandelten sich wie Siegfried & Roy in den jeweils anderen.
So ganz hielt Kollege Anwalt A das Spiel dann doch nicht durch, denn nach seiner Zeugenaussage blieb der Zeuge ohne Robe auf der Parteienbank sitzen und gab nun parallel zu seinem Kollegen den Anwalt. Ob in Amtstracht oder nicht, er wurde etwa genauso häufig wegen Dazwischenredens gemaßregelt wie der Beklagte, ein bekannter Justizkritiker, der schon in der DDR zivilen Ungehorsam als Stilmittel eingesetzt hatte.
Eine Frage des Glaubens
War es ursprünglich das Ziel von Anwalt A gewesen, den Beklagten zum Schweigen zu bringen, so erreichte er das genaue Gegenteil: Der Beklagte setzte durch, dem Zeugen Rechtsanwalt A selbst Fragen stellen zu dürfen, wogegen dieser heftig protestierte, unter anderem mit der Entgleisung „Ich glaube, ich spinne!“ Der für sein Temperament bekannte Beklagte ließ sich provozieren und erwiderte, ja, er (Anwalt A) spinne wirklich. Daraufhin stellte Anwalt A prompt Strafantrag. Die Scharade wurde ins Protokoll aufgenommen. Die Frage, ob Anwalt A spinne, war so ziemlich die einzige, in welcher die Parteien Einigkeit erzielten (wobei sich der Autor dieser Zeilen hiermit von den Parteien distanziert).
Eine Frage der Ehre
Am Rande des Prozesses fragte mich Anwalt A, so dass es das Gericht nicht hören konnte, ob ich denn keinen Ehrenkodex kenne. Ich fragte ihn daraufhin zurück, ob wir denn hier bei der Mafia seien. Wie hätten Sie reagiert, wenn Sie von einem der führenden Presseanwälte von Industrie und Hochfinanz auf einen Konsens in Sache „Ehre“ angesprochen werden? Ich achte Standesrecht, aber mehr Verbrüderung muss es dann doch nicht sein.
Eine Frage zuviel
Beweisthema der um 14.10 Uhr beginnenden Befragung der beiden Kläger-Zeugen und des von der Beklagtenseite präsentierten Entlastungszeugen war die Frage, ob in dem behaupteten Zeitraum die Links von den fraglichen Begriffen so geschaltet gewesen seien, dass diese zur Google-Suche nach den entsprechenden Anwaltsseiten geführt hätten. Fragen, welche die Glaubwürdigkeit der klagenden Zeugen hätten in Zweifel ziehen können, wurden ganz überwiegend nicht zugelassen.
Der Zeuge des Beklagten jedoch musste sich von der Vorsitzenden Richterin Fragen bieten lassen, welche nicht das Beweisthema selbst, sondern Bilder auf der Website des Beklagten betrafen. So war den Klägern aufgefallen, dass unstreitig nach der Abmahnung wegen des Begriffs „Schweinchen“ auf der Website des Beklagten eine Schweinchen-Karikatur immer bei solchen Beiträgen aufzutauchen pflegte, die einen bestimmten Kläger betrafen. Unserer Rüge, die Frage habe mit dem Beweisthema „Verlinkung“ nichts zu tun, wurde ebenso wenig Rechnung getragen wie der Tatsache, dass sich die Vorsitzende Richterin nach Schlussfolgerungen des Zeugen erkundigte (Zeugen werden zu Beobachtungen gehört). Als es dem Beklagten zu bunt wurde, stellte er Befangenheitsanträge. Nach 18.00 Uhr war die turbulente Sitzung dann endlich vorbei.
Wayback Machine
Als wir das Kölner Landgerichtsgebäude verließen, konnte ich noch immer nicht glauben, dass sich prominente Anwälte in eigener Sache ohne Rücksicht auf Gesichtsverluste mit solcher Energie gegen meinen Mandanten engagierten. Anwalt A hatte vor Gericht bestritten, zu wissen, was eine Computer-Mouse ist. Anwalt B war von der Richterin befragt worden, ob er die wayback machines kenne, und ließ sich ein, er höre diesen Begriff zum ersten Mal. Standesrecht verbietet es mir, diesen Befund zu kommentieren.
7. Juli 2008

Nachdem ich nun schon so manchen Blogger vor Gericht vertreten habe und offenbar noch kein Blog speziell zum Äußerungsrecht existiert, trete auch ich heute der Gemeinde der Blogger bei. Naja, ein Blog zum Äußerungsrecht gibt es natürlich, wenn auch weniger aus juristischer denn aus rechtspolitischer Perspektive: Richterschreck Rolf Schälike erwirbt sich als Chronist der Vorgänge in den Hamburger und Berliner Pressekammern mit seinem eigenwilligen Blog Buskeismus.de große Verdienste (wobei ich mir seine Ansichten über den Stand der Rechtsanwälte nicht zueigen mache). Künftig werde ich versuchen, interessante Fälle aus anwaltlicher Perspektive zu kommentieren und auf interessante Internet-Ressourcen hinzuweisen, zum Beispiel die des Kollegen Prof. Robert Schweizer.
Wer sich die Freiheit nehmen möchte, sich eine Meinung über meine Meinung zur Meinungsfreiheit zu bilden, wird Spaß an meinem Beitrag auf Telepolis.de zur Haftung für Interviews haben, meine ich jedenfalls!