Wenn ein als Zeuge geladener Promi-Presseanwalt behauptet, er wisse nicht, was eine Computer-Mouse ist, dann kann das doch eigentlich nur ein schlechter Scherz sein, oder?
Was sich letzten Mittwoch vor der Pressekammer des Landgerichts Köln zugetragen hat, ist mit dem Begriff „Farce“ noch recht großzügig beschrieben. Mein Mandant, ein bekannter Blogger zum Presserecht, hatte auf seiner Website die Begriffe „Mimosen“, „Schweinchen“, „Psychopathen“ und ähnliches mit den entsprechenden Google-Suchen verlinkt. Plötzlich behaupten Anwälte einer bekannten Presserechtskanzlei, dass beim Klick auf diese Links Google-Suchen nach ihren Namen erscheinen, mahnen ab und erwirken eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Köln.
Schwache Beweislage
Erstaunlicherweise haben die Kollegen außer leicht fälschbaren Ausdrucken keine handfesten Beweise für ihre seltsame Anschuldigung zu bieten. Wenn bei mir ein Mandant wegen kurzfristiger und typischerweise flüchtiger Internetinhalte anruft, fordere ich ihn als erstes auf, möglichst unbeteiligte Personen zu bitten, sich entsprechende Links einmal anzusehen, diese selbst auszudrucken und ihre Eindrücke detailliert zu notieren. In wirtschaftlich bedeutsamen Fällen lässt man sogar notariell beglaubigen, was da unter welchem Link im Internet erscheint.
Stattdessen benennen die Kläger einen ihrer Kollegen als Zeugen – sowie den prominenten Kanzleichef selbst, den Spiritus Rector der Klage, der nach eigenem Bekunden aus Fürsorgepflicht für seine Angestellten handele. Die beiden Anwälte vertreten die Sache selbst und hatten es sich vergangenen Mittwoch nichts nicht nehmen lassen, extra aus Berlin zum (von ihnen selbst ohne jeden Sachbezug gewählten) Gerichtsstand Köln anzureisen – als Zeugen wie als Anwälte.
Siegfried & Roy
Nun dürfte es für Laien schon erstaunlich genug sein, dass man in (indirekt) eigener Sache gleichzeitig als Partei, Zeuge und Anwalt auftreten kann. So mussten die Zeugen, die gleichzeitig auch Anwälte waren, nicht bei der Zeugenbefragung des jeweils anderen Zeugen den Saal verlassen.
Pikanterweise hatte Anwalt A seine Robe nicht dabei. (Der Alte Fritz hatte gefordert, die „Advokaten sollen Roben tragen, damit die Spitzbuben bereits von der Ferne erkannt werden“ – ein Zitat, von dem ich mich schon aus standesrechtlichen Gründen distanziere.) So kam Kollege A mit der Vorsitzenden Richterin überein, dass man sich die Robe des Kollegen teilen dürfe: Wenn der eine als Zeuge auftrat, durfte der andere Anwalt spielen, und wenn es umgekehrt laufen sollte, tauschten die Anwälte A & B die Robe aus und verwandelten sich wie Siegfried & Roy in den jeweils anderen.
So ganz hielt Kollege Anwalt A das Spiel dann doch nicht durch, denn nach seiner Zeugenaussage blieb der Zeuge ohne Robe auf der Parteienbank sitzen und gab nun parallel zu seinem Kollegen den Anwalt. Ob in Amtstracht oder nicht, er wurde etwa genauso häufig wegen Dazwischenredens gemaßregelt wie der Beklagte, ein bekannter Justizkritiker, der schon in der DDR zivilen Ungehorsam als Stilmittel eingesetzt hatte.
Eine Frage des Glaubens
War es ursprünglich das Ziel von Anwalt A gewesen, den Beklagten zum Schweigen zu bringen, so erreichte er das genaue Gegenteil: Der Beklagte setzte durch, dem Zeugen Rechtsanwalt A selbst Fragen stellen zu dürfen, wogegen dieser heftig protestierte, unter anderem mit der Entgleisung „Ich glaube, ich spinne!“ Der für sein Temperament bekannte Beklagte ließ sich provozieren und erwiderte, ja, er (Anwalt A) spinne wirklich. Daraufhin stellte Anwalt A prompt Strafantrag. Die Scharade wurde ins Protokoll aufgenommen. Die Frage, ob Anwalt A spinne, war so ziemlich die einzige, in welcher die Parteien Einigkeit erzielten (wobei sich der Autor dieser Zeilen hiermit von den Parteien distanziert).
Eine Frage der Ehre
Am Rande des Prozesses fragte mich Anwalt A, so dass es das Gericht nicht hören konnte, ob ich denn keinen Ehrenkodex kenne. Ich fragte ihn daraufhin zurück, ob wir denn hier bei der Mafia seien. Wie hätten Sie reagiert, wenn Sie von einem der führenden Presseanwälte von Industrie und Hochfinanz auf einen Konsens in Sache „Ehre“ angesprochen werden? Ich achte Standesrecht, aber mehr Verbrüderung muss es dann doch nicht sein.
Eine Frage zuviel
Beweisthema der um 14.10 Uhr beginnenden Befragung der beiden Kläger-Zeugen und des von der Beklagtenseite präsentierten Entlastungszeugen war die Frage, ob in dem behaupteten Zeitraum die Links von den fraglichen Begriffen so geschaltet gewesen seien, dass diese zur Google-Suche nach den entsprechenden Anwaltsseiten geführt hätten. Fragen, welche die Glaubwürdigkeit der klagenden Zeugen hätten in Zweifel ziehen können, wurden ganz überwiegend nicht zugelassen.
Der Zeuge des Beklagten jedoch musste sich von der Vorsitzenden Richterin Fragen bieten lassen, welche nicht das Beweisthema selbst, sondern Bilder auf der Website des Beklagten betrafen. So war den Klägern aufgefallen, dass unstreitig nach der Abmahnung wegen des Begriffs „Schweinchen“ auf der Website des Beklagten eine Schweinchen-Karikatur immer bei solchen Beiträgen aufzutauchen pflegte, die einen bestimmten Kläger betrafen. Unserer Rüge, die Frage habe mit dem Beweisthema „Verlinkung“ nichts zu tun, wurde ebenso wenig Rechnung getragen wie der Tatsache, dass sich die Vorsitzende Richterin nach Schlussfolgerungen des Zeugen erkundigte (Zeugen werden zu Beobachtungen gehört). Als es dem Beklagten zu bunt wurde, stellte er Befangenheitsanträge. Nach 18.00 Uhr war die turbulente Sitzung dann endlich vorbei.
Wayback Machine
Als wir das Kölner Landgerichtsgebäude verließen, konnte ich noch immer nicht glauben, dass sich prominente Anwälte in eigener Sache ohne Rücksicht auf Gesichtsverluste mit solcher Energie gegen meinen Mandanten engagierten. Anwalt A hatte vor Gericht bestritten, zu wissen, was eine Computer-Mouse ist. Anwalt B war von der Richterin befragt worden, ob er die wayback machines kenne, und ließ sich ein, er höre diesen Begriff zum ersten Mal. Standesrecht verbietet es mir, diesen Befund zu kommentieren.
Reisekosten fliegender Gerichtsständler abgestürzt » Rechtsanwalt Markus Kompa
[…] hatte den Blogger in dem Beweisaufnahmetermin von 2008 als kurzfristig zugezogener weiterer Anwalt mitvertreten, war jedoch an dem weiteren Gang des Verfahrens nicht beteiligt. Das haben zwei Kollegen vor Ort […]
#1 Pingback vom 20. August 2010 um 02:11
“Köln nimmt das alles” – SPIEGEL-Beitrag zu Unsitten des Presserechts » Rechtsanwalt Markus Kompa
[…] beliebteste Kammer an. Am Anfang dieses Trends, 2008, hatte ich die Ehre, auf der Gegenseite der Köln-Premiere eines Berliner Medienanwalts beizuwohnen. Der Berliner(!) Kollege hatte ohne jeden Sachbezug nach Köln gebeten, um einen […]
#2 Pingback vom 13. Oktober 2014 um 19:43